Druck.
Kein Gedicht. Nur der abgerissene Typ am Tresen. Redet.
„Kunst, Baby. Alles Kunst.“
Und grinst nicht.
Nein. Ich grinse nicht.
Musik scheppert. Von der Bühne. Von den Boxen. Wer weiß das schon. Vielleicht sind’s die Stooges. Vielleicht nur irgendeine Coverband, die das alles runterspielt. Brummende Marshall-Türme. Alles übersteuert. Alles gleich. Und am Ende ist’s egal. Hauptsache es übertönt. Ihr schaut zu, wie ich mich zerlege. Und denkt, da steckt Haltung drin. So eine Art bewusste Geste. Aber nein. Es ist nichts weiter als Schwerkraft. Restlicht. Der Körper zieht nach unten. Das Gesicht auch. Und wenn’s nur noch klebt, dann ziehst du die Füße hoch. Als wär das irgendeine Lösung.
Druck tut so, als wär’s Orakel. Flüstert dir ins Ohr, dass morgen leichter wird. Und lügt sofort. Er drückt. Er lähmt. Er gibt mir Worte und zieht sie gleich zurück. Als wären sie Pfandware. Kellerbars sind ehrlicher. Niedrig. Feucht. Bröseliger Putz. Kein Ausblick. Leuchtstoffröhre. Schluss ohne Theater. Rauch in den Wänden. Schatten im Gang. Ein Automat spuckt Kippen aus. Aber keine Antworten. Frage. Antwort. Beides falsch.
Ihr wollt ein Ende? Gut. Hier. Drama im Verlieren. Finale ohne Zugabe. Applaus wie Kleingeldregen. Wertloses Klirren auf dem Boden. Kein Vorhang. Nur ich. Klatschend. Für die eigene Katastrophe.
–
Schub.
Noch immer kein Gedicht. Nur der brennende Typ vor den Boxen. Schreit.
„Alles ist jetzt. Alles!“
Und meint es.
Ja. Ich meine es.
Musik prügelt. Hämmert von allen Seiten. Vielleicht PAWSA. Vielleicht irgendein DJ. Egal. Die Platte zerkratzt. Die Höhen schrill. Der Bass zu tief. Alles hämmert. Alles übersteuert. Ihr schaut zu, wie ich mich zerreiße. Und denkt, das ist Ekstase. Das ist die pure Auflösung. Aber nein. Es ist Strom. Es ist Flutlicht. Ein Schlag auf die Augen. Und wenn’s dir auf die Nerven geht, drehst du den Pegel hoch. Noch höher. Bis alles platzt.
Schub kommt wie ein Wunder. Baut Texte aus Sekunden. Er schiebt. Er treibt. Worte wie Brand. Alles brennt. Sofort verbrannt. Nächte sind treibender. Stoßen aus dem Rücken. Pfeifen durch die Zähne. Machen die Beine leicht. Machen den Kopf scharf. Tempo. Kein Schlaf. Die Hände spucken Seiten. Songs. Bilder. Räume. Alles. Immer mehr. Zu viel.
Ihr wollt Kontrolle? Vergesst es. Hier. Feuer im Überschuss. Ein Finale ohne Pause. Applaus wie Stromschläge. Kein Vorhang. Nur ich. Springend. In die eigene Explosion.
–
Nichts. Alles.
Druck will Ruhe. Der Schädel leer wie ein ausgeschabter Aschenbecher. Nichts fragt. Nichts antwortet. Die Stille riecht nach Fett und Altqualm. Worte wie Zement. Fallen raus. Bleiben liegen. Ein Song ohne Refrain hängt quer im Hals. Und das Schweigen sortiert schon die Akten. Der Tresen hält. Die Schuhe kleben. Die Uhr läuft seitwärts. Der Atem wird schmal. Der Tag bleibt draußen. Der Raum zieht zu. Schwarz. Servicehinweis des Abends.
Schub will alles. Reißt die Nacht auf wie Folie. Die Wände schieben zurück. Worte sind Benzin. Flamme sofort. Jetzt. Immer jetzt. Hell wie ein Blitz ins Auge. Vorbei. Wieder da. Schneller. Lauter. Mehr. Das Blut beschleunigt. Arm voll Blitz. Die Gelenke klicken. Der Speichel schmeckt nach Metall. Die Schritte ziehen vor. Zu viel. Thermostat auf Ego.
Kontrolle? Scheiß drauf. Sie tanzen trotzdem. Ein Walzer im leeren Saal. Verhaken sich. Taumeln weiter. Wie Köter, die ihrem Schatten nachrennen. Fallen. Stehen wieder. Das Stück läuft trotzdem. Publikum fehlt. Lächerlich.
Running Gag. Ich stehe dazwischen. Mal Gewicht. Mal Feuer. Festgenagelt in der Mitte. Oder getrieben im Kreis. Zeilen, die durchdrehen wie Schrauben ohne Gewinde. Schnaps, der nichts hält. Mädchen, die morgen weg sind. Schatten. Stolpern zwischen Leere und Blitzlicht. Zwischen Brummen und Schweigen. Zwischen Rest und Aufbruch. Allein. Selfie ohne Gesicht.
Bis einer gewinnt, frage ich. Und die Antwort kommt sofort. Nie einer. Immer beide. Ein Bleiklumpen quer auf den Rippen. Atmet mit. Zieht den Atem schmal. Flüstert bleib unten. Bleib im Schatten. Die Wände bröseln. Fragen falsch. Antworten müde. Bleib. Ticket ist eh nicht stornierbar.
Hitzeschub durchs Gewebe. Heiß. Zuckend. Die Leitung reißt auf. Schreit renn, bevor du verrostest. Bau Takte aus allem. Tanz den Boden weich. Spuck Bilder. Seiten. Raus, was knallt. Zerfall als Drehzahl. Tempo als Gnade. Renn. Playlist. Flucht in A-Dur.
Gift. Treibstoff. Ich feiere den Abriss. Zähle Verluste wie Deckelstriche. Tanze, wenn die Bude leer ist. Schreibe, während das Wasser steigt. Und wenn einer nach Wahrheit fragt, zeige ich das Glas, in das ich eben gespuckt habe. Sage: das hier, heute, jetzt. Nicht schön. Nicht klug. Aber tragfähig für den nächsten Satz.
Genug. Abspann über Standbild.
Ein Raum, der leer wird. Geräusche reißen ab. Ein Rest bleibt. Und verschwindet sofort. Ein Wechsel ohne Richtung. Kein Halt. Nur Wiederholung. Und ich tu so, als wär’s Absicht.
–
Frederik Rentrop
2023