• Kürbiskern-Nüsse?

    Halle (Saale), 13. Juli 2025 – F. Rentrop

    Getrieben von irgendwann.
    Aber irgendwann –
    kontrollier ich das Ganze.

    Safe.

    In Sonne auf Kunstleder sitzen:
    erst warm,
    dann klebt’s,
    dann schämst du dich.
    Wird irgendwann heiß und falsch.
    Hab ich gemerkt,
    als wir aufstanden –
    sie zuerst –
    ich hinterher.

    Statt Café plötzlich Saale.
    Schatten wechselt die Straßenseite.
    Wir auch.
    Nicht Hand in Hand,
    aber nebeneinander.
    Also: mehr.

    Morgens.
    Küche.
    Sie ist da,
    wo ich nie bin.
    Kramt rum.
    Warum ich keinen Wasserhahn habe?

    Dann zurück im Bett.
    Augen auf,
    sie hält Tüte hoch:
    „Willst du auch Kürbiskern-Nüsse?“
    Hat sie gefunden.
    In meiner Küche.
    Wo sie eben war.

    Klar will ich.
    Also: ja.
    Sag ich nicht.
    Aber nicke.

    Küche danach.
    Eimer.
    Letzte Woche-Pampelmusen
    schauen mich an
    wie schlechte Entscheidungen.
    Riechen auch so.

    Irgendwann ist jetzt.
    Oder kurz davor.
    Oder eben doch:
    nur eine Tüte Kürbiskerne
    und sie
    und ich
    und kein Grund,
    das kaputtzudenken.

    Klang des Tages: Röyksopp - Breathe (feat. Astrid S)
  • Begriffsminiaturen

    Nach meiner Ankunft in Halle im Herbst 2024 Beginn einer Sammlung von Begriffsminiaturen. Besser: poetischer Schattenbegriffe. Oder auch leiser Exzesse. Ich weiß es nicht. Fortsetzung folgt fortlaufend. Vorgenommen. Zumindest.

    Umsturzsekunde
    Substantiv, Feminin [⟨gehoben, dramatisch⟩]
    1. Der Augenblick, in dem ein zunächst sanftes, sich ausdehnendes Begreifen plötzlich in sein Gegenteil umschlägt und zur harten, endgültigen Einsicht wird.
    2. übertragen: Ein Moment, der die Illusion von Wandlung und Weite abrupt beendet und durch eine nicht mehr verhandelbare Klarheit ersetzt.
    Beispiel: „In der Umsturzsekunde wurde aus seiner Hoffnung ein scharfes Verstehen.“

    Regenverzehrgenehmigung
    Substantiv, Femininum; Genitiv: -; Plural: -en [⟨poetisch, verspielt⟩]
    1. Innere Erlaubnis, beim Kaffeetrinken im Café mehr zu bestellen – nicht aus Hunger, sondern mit der Begründung, dass gleich der Regen einsetzt und man dadurch Zeit gewinnt.
    2. übertragen: Das stille Abkommen zwischen Himmel und Magen, dass Wolken den Appetit rechtfertigen – auch wenn sie sich am Ende oft verziehen.
    Beispiel: „Die Wolken hingen schwer, und ich erteilte mir selbst eine Regenverzehrgenehmigung: noch ein Stück Kuchen, während der Regen ausblieb – aus Respekt vor dem Regenbogen.“

    Echospiel
    Substantiv, Neutrum; Genitiv: -s, Plural: -e [⟨poetisch, intim⟩]
    1. Das Hin- und Herschicken von Sprachnachrichten, nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus der Lust, Stimme und Schweigen in ein Spiel zu verwandeln.
    2. übertragen: die Kunst, Nähe im Abstand entstehen zu lassen, indem jede Verzögerung wie ein Versprechen klingt.
    Beispiel: „Im Echospiel wurde das Warten selbst zum Teil der Verführung.“

    Löschklarheit
    Substantiv, Femininum; Genitiv: -, Plural: -en [⟨poetisch, melancholisch⟩]
    1. Der Moment bewusster Entscheidung, eine digitale Spur (Nachricht, Bild, Erinnerung) zu tilgen, in der Überzeugung, dass dies Befreiung bringt.
    2. Das unmittelbare oder verzögerte Bedauern über den unwiderruflichen Verlust dieser Spur, die eine emotionale oder existenzielle Bedeutung hatte.
    3. übertragen: Jeder Akt des absichtlichen Loslassens – von Menschen, Orten, Erinnerungen –, der von einer plötzlichen Sehnsucht nach dem Verlorenen begleitet wird.
    Beispiel: „Die Löschklarheit dauerte nur einen Moment: Die Nachricht war verschwunden, die Sehnsucht nach ihr begann sofort.“

    Buchraubrecht
    Substantiv, Neutrum [⟨poetisch, provokativ⟩]
    Die moralische Rechtfertigung, ein Buch zu stehlen, nicht aus Habgier, sondern aus dem Drang, sein Innerstes zu bewahren.
    Beispiel: „Im Buchraubrecht liegt die Überzeugung, dass ein entwendetes Werk nie wirklich gestohlen, sondern vor dem Vergessen gerettet wird.“

    Koffersehnsucht
    Substantiv, Femininum; Genitiv: -, Plural: -e [⟨poetisch, sehnsüchtig⟩]
    1. Das Packen eines Koffers mit dem gleichzeitigen Wunsch, ihn niemals zu tragen.
    2. übertragen: die Spannung zwischen Aufbruch und Bleiben.
    Beispiel: „In ihrer Koffersehnsucht war sie schon unterwegs und noch daheim.“

    Kofferlast
    Substantiv, Femininum; Genitiv: -, Plural: -en [⟨ironisch, alltagsnah⟩]
    1. Das Übermaß an Gepäck, das eine Reise schon vor dem Beginn beschwert.
    2. übertragen: die Spannung zwischen dem Versprechen von Freiheit und der Schwere des Mitgenommenen.
    Beispiel: „Die Kofferlast machte den Urlaub schwerer als den Alltag.“

    Flaschenabschied
    Substantiv, Maskulinum; Genitiv: -s, Plural: -e [⟨poetisch, elegisch⟩]
    1. Das Wegwerfen von leer getrunkenen Flaschen, die zuvor ein ganzer Abend waren.
    2. übertragen: das endgültige Loslassen einer Erinnerung, die nur noch als Hülle nachhallt.
    Beispiel: „Der Flaschenabschied klirrte noch, als er längst gegangen war.“

    Vorwortstarre
    Substantiv, Femininum; Genitiv: -, Plural: -n [⟨poetisch, existenziell⟩]
    Das Unvermögen, nach dem ersten Satz eines Textes fortzufahren; das Erstarren im Vorsatz, bevor das Eigentliche beginnt.
    übertragen: die Hemmung, einen Anfang zu wagen, aus Angst vor dem Fortgang.
    Beispiel: „Er litt an Vorwortstarre und schrieb zeitlebens nur erste Sätze.“

    Hemdenleid
    Substantiv, Neutrum [⟨umgangssprachlich, ironisch⟩]
    1. Die Vorgehensweise, ehemals passende, im Laufe der Zeit jedoch zu groß oder zu klein gewordene Oberhemden in eine zuvor unbekannte Reinigung zu geben, ohne die Absicht, sie jemals wieder abzuholen.
    2. übertragen: Das bewusste Aufgeben von Dingen oder Lebensabschnitten unter dem Vorwand einer Rückkehr, die tatsächlich nicht beabsichtigt ist.
    Beispiel: „Er litt sein Hemdenleid, indem er drei zu enge Kragen in der Reinigung verschwinden ließ.“

    Nachwortleere
    Substantiv, Femininum [⟨ironisch, reflektierend⟩]
    1. Die Erfahrung, das Nachwort eines Buches eher zu lesen als den Text selbst.
    2. übertragen: Das Umkreisen des Eigentlichen, ohne es zu erreichen.
    Beispiel: „Er kannte die Nachwortleere besser als die Handlung.“

    Bücherreue
    Substantiv, Femininum; Genitiv: -, Plural: -n [⟨gehoben, nachdenklich⟩]
    1. Das Wissen, ein gekauftes Buch nie zu lesen, und dennoch seinen Platz im Regal zu verteidigen.
    2. übertragen: die Last unerfüllter Möglichkeiten.
    Beispiel: „Vor dem Regal überkam sie ihre Bücherreue.“

    Schlusssatzwucht
    Substantiv, Femininum; Genitiv: -, Plural: -en [⟨poetisch, monumental⟩]
    1. Die Schwere des letzten Satzes in einem Roman, der das Gesagte beschließt und das Ungesagte öffnet.
    2. übertragen: die ganze Bedeutung eines Weggangs, verdichtet in einem einzigen Laut.
    Beispiel: „Die Schlusssatzwucht ließ das Buch noch lange geschlossen in seiner Hand liegen.“

    Erstsatzlast
    Substantiv, Femininum; Genitiv: -, Plural: -en [⟨poetisch, schwer⟩]
    1. Das Gewicht des ersten Satzes in einem Roman, der zugleich Anfang und Urteil ist.
    2. übertragen: die Bürde des ersten Wortes, das mehr verheißt, als es je einlösen kann.
    Beispiel: „Die Erstsatzlast legte sich schwerer auf ihn als das ganze Manuskript.“

    Türumschlag
    Substantiv, Maskulinum [⟨poetisch, szenisch⟩]
    1. Das Schließen einer Tür im Augenblick des Verlassens eines Menschen, das sich wie das Zuklappen eines Briefumschlags vollzieht – endgültig, versiegelt, nicht mehr zu öffnen.
    2. übertragen: Der Moment, in dem eine Begegnung zu einem abgeschlossenen Dokument der Erinnerung wird.
    Herkunft: Kompositum aus Tür und Umschlag; verweist auf die Analogie zwischen architektonischem und epistolarem Verschließen.
    Beispiel: „Der Türumschlag ließ das Zimmer leer zurück, als hätte ein Brief sich selbst versiegelt.“

    Aufzugsstille
    Substantiv, Femininum; Genitiv: -, Plural: -n [⟨poetisch, lakonisch⟩]
    1. Die eigentümliche Lautlosigkeit in einem Aufzug, die Menschen im engen Raum zu Fremden macht.
    2. übertragen: ein Schweigen auf engem Raum, das weder Nähe noch Distanz zulässt und wie eine kurze Unterbrechung der Zeit wirkt.
    Beispiel: „Die Aufzugsstille begleitete sie wie ein ungesagtes Wort.“
  • Druck. Schub.

    Druck.

    Kein Gedicht. Nur der abgerissene Typ am Tresen. Redet.
    „Kunst, Baby. Alles Kunst.“
    Und grinst nicht.

    Nein. Ich grinse nicht.

    Musik scheppert. Von der Bühne. Von den Boxen. Wer weiß das schon. Vielleicht sind’s die Stooges. Vielleicht nur irgendeine Coverband, die das alles runterspielt. Brummende Marshall-Türme. Alles übersteuert. Alles gleich. Und am Ende ist’s egal. Hauptsache es übertönt. Ihr schaut zu, wie ich mich zerlege. Und denkt, da steckt Haltung drin. So eine Art bewusste Geste. Aber nein. Es ist nichts weiter als Schwerkraft. Restlicht. Der Körper zieht nach unten. Das Gesicht auch. Und wenn’s nur noch klebt, dann ziehst du die Füße hoch. Als wär das irgendeine Lösung.

    Druck tut so, als wär’s Orakel. Flüstert dir ins Ohr, dass morgen leichter wird. Und lügt sofort. Er drückt. Er lähmt. Er gibt mir Worte und zieht sie gleich zurück. Als wären sie Pfandware. Kellerbars sind ehrlicher. Niedrig. Feucht. Bröseliger Putz. Kein Ausblick. Leuchtstoffröhre. Schluss ohne Theater. Rauch in den Wänden. Schatten im Gang. Ein Automat spuckt Kippen aus. Aber keine Antworten. Frage. Antwort. Beides falsch.

    Ihr wollt ein Ende? Gut. Hier. Drama im Verlieren. Finale ohne Zugabe. Applaus wie Kleingeldregen. Wertloses Klirren auf dem Boden. Kein Vorhang. Nur ich. Klatschend. Für die eigene Katastrophe.



    Schub.

    Noch immer kein Gedicht. Nur der brennende Typ vor den Boxen. Schreit.
    „Alles ist jetzt. Alles!“
    Und meint es.

    Ja. Ich meine es.

    Musik prügelt. Hämmert von allen Seiten. Vielleicht PAWSA. Vielleicht irgendein DJ. Egal. Die Platte zerkratzt. Die Höhen schrill. Der Bass zu tief. Alles hämmert. Alles übersteuert. Ihr schaut zu, wie ich mich zerreiße. Und denkt, das ist Ekstase. Das ist die pure Auflösung. Aber nein. Es ist Strom. Es ist Flutlicht. Ein Schlag auf die Augen. Und wenn’s dir auf die Nerven geht, drehst du den Pegel hoch. Noch höher. Bis alles platzt.

    Schub kommt wie ein Wunder. Baut Texte aus Sekunden. Er schiebt. Er treibt. Worte wie Brand. Alles brennt. Sofort verbrannt. Nächte sind treibender. Stoßen aus dem Rücken. Pfeifen durch die Zähne. Machen die Beine leicht. Machen den Kopf scharf. Tempo. Kein Schlaf. Die Hände spucken Seiten. Songs. Bilder. Räume. Alles. Immer mehr. Zu viel.

    Ihr wollt Kontrolle? Vergesst es. Hier. Feuer im Überschuss. Ein Finale ohne Pause. Applaus wie Stromschläge. Kein Vorhang. Nur ich. Springend. In die eigene Explosion.



    Nichts. Alles.

    Druck will Ruhe. Der Schädel leer wie ein ausgeschabter Aschenbecher. Nichts fragt. Nichts antwortet. Die Stille riecht nach Fett und Altqualm. Worte wie Zement. Fallen raus. Bleiben liegen. Ein Song ohne Refrain hängt quer im Hals. Und das Schweigen sortiert schon die Akten. Der Tresen hält. Die Schuhe kleben. Die Uhr läuft seitwärts. Der Atem wird schmal. Der Tag bleibt draußen. Der Raum zieht zu. Schwarz. Servicehinweis des Abends.

    Schub will alles. Reißt die Nacht auf wie Folie. Die Wände schieben zurück. Worte sind Benzin. Flamme sofort. Jetzt. Immer jetzt. Hell wie ein Blitz ins Auge. Vorbei. Wieder da. Schneller. Lauter. Mehr. Das Blut beschleunigt. Arm voll Blitz. Die Gelenke klicken. Der Speichel schmeckt nach Metall. Die Schritte ziehen vor. Zu viel. Thermostat auf Ego.

    Kontrolle? Scheiß drauf. Sie tanzen trotzdem. Ein Walzer im leeren Saal. Verhaken sich. Taumeln weiter. Wie Köter, die ihrem Schatten nachrennen. Fallen. Stehen wieder. Das Stück läuft trotzdem. Publikum fehlt. Lächerlich.

    Running Gag. Ich stehe dazwischen. Mal Gewicht. Mal Feuer. Festgenagelt in der Mitte. Oder getrieben im Kreis. Zeilen, die durchdrehen wie Schrauben ohne Gewinde. Schnaps, der nichts hält. Mädchen, die morgen weg sind. Schatten. Stolpern zwischen Leere und Blitzlicht. Zwischen Brummen und Schweigen. Zwischen Rest und Aufbruch. Allein. Selfie ohne Gesicht.

    Bis einer gewinnt, frage ich. Und die Antwort kommt sofort. Nie einer. Immer beide. Ein Bleiklumpen quer auf den Rippen. Atmet mit. Zieht den Atem schmal. Flüstert bleib unten. Bleib im Schatten. Die Wände bröseln. Fragen falsch. Antworten müde. Bleib. Ticket ist eh nicht stornierbar.

    Hitzeschub durchs Gewebe. Heiß. Zuckend. Die Leitung reißt auf. Schreit renn, bevor du verrostest. Bau Takte aus allem. Tanz den Boden weich. Spuck Bilder. Seiten. Raus, was knallt. Zerfall als Drehzahl. Tempo als Gnade. Renn. Playlist. Flucht in A-Dur.

    Gift. Treibstoff. Ich feiere den Abriss. Zähle Verluste wie Deckelstriche. Tanze, wenn die Bude leer ist. Schreibe, während das Wasser steigt. Und wenn einer nach Wahrheit fragt, zeige ich das Glas, in das ich eben gespuckt habe. Sage: das hier, heute, jetzt. Nicht schön. Nicht klug. Aber tragfähig für den nächsten Satz.

    Genug. Abspann über Standbild.

    Ein Raum, der leer wird. Geräusche reißen ab. Ein Rest bleibt. Und verschwindet sofort. Ein Wechsel ohne Richtung. Kein Halt. Nur Wiederholung. Und ich tu so, als wär’s Absicht.



    Frederik Rentrop
    2023
  • Fenstersichten – Fotografie

    Fenster sind Übergänge – zwischen Innen und Außen, Blick und Bild. In dieser Serie treffen beide Räume still aufeinander. Was drinnen bleibt, was draußen sichtbar wird. Jedes Foto hält diesen kurzen Moment fest: Licht aus zwei Richtungen. Innen und Außen, gegenseitig gerahmt.

    – eine Auswahl –

  • Kippt

    Scheiben schwitzen Nacht.
    Drinnen: Hotel ohne Lüften.
    Restsex, Schweiß, Alkohol.
    Ich hocke drin,
    als wär’s mein Geruch,
    der nicht geht.

    Fenster hält Atem.
    Ein Hauch,
    fast nichts,
    trägt Kälte.
    Die Weite – nicht für mich.


    Mond: Scheinwerfer.
    Ein Kopf im Rausch.
    Dort dreht sich Glück.

    Straßen taunass.
    Lampen fahl.
    Schatten stolpern,
    Komparsen ohne Regie.

    Lärm schlägt Wände.
    Stimmen,
    von früher.
    Nicht mehr zu ertragen.


    Dunkel.
    Zwei Körper.
    Ein Atem zu nah.
    Kurzer Sieg.
    Sofort verloren.
    Wiederholt.

    Neben mir: die Flasche.
    Trennt Leben von mir.
    Wie draußen von drinnen.
    Wie wach von benebelt.
    Ich hebe sie an,
    was mich halten sollte –
    rinnt hinaus.

    Nacht am Fenster.
    Immer wieder.
    Wie ein Lied.
    Ohne Schluss.


    Frederik Rentrop
    2018
  • Flutmond

    Sie stolpert durch die Stunden.
    Der Kopf schwer, die Sicht nur ein Spalt.
    Raus will sie, raus aus dem Käfig. Irgendwas.

    Über ihr hängt ein kaltes Licht, leuchtstoffgrau.
    Sie sieht es nicht, will es nicht sehen.
    Das Zimmer ist muffig, warm, überfüllt von Nähe.

    Sehnsucht glimmt wie ein Funke im Wind.
    Dunkel zieht sie tiefer.



    Sie ist nah und gleich wieder weg,
    scheu wie ein Streuner.

    Eine Blume blüht, eine andere ahnt.
    Ich flüstere von Straßen, Nebel, Flucht.

    Sie hört halb, doch etwas bewegt sich.
    Ihr Herz schlägt schief, ein fremder Takt.

    Ein Ton greift, nimmt sie mit.
    Hoffnung taucht auf, dünn wie Asche im Wind.
    Glut, noch kein Feuer.

    ––

    Am Rand halte ich sie.
    Ein Puls zuckt, neu, wo keiner war.

    Sie atmet auf, ein Hauch, ein Hall.
    Ein Riss im Kern, plötzlich offen.

    Was verschlossen war, springt auf.
    Die Schwelle splittert.
    Zeit beginnt neu.

    –––

    Ihr Blick brennt, Funken in der Luft.
    Ein Schwur, kaum hörbar, fällt in die Stille.

    Zweifel sinkt ab.
    Ein Band entsteht, roh, ohne Schmuck.

    Sie will Sturm.
    Keine Ruhe.

    ~

    Meer rauscht im Kopf, Asphalt hämmert im Ohr.
    Ihr Leib glüht, vertraut.

    Ein Strom bricht los, wild und zart zugleich.
    Herz gegen Herz. Ein Ruck.

    Schmerz blüht, sie errötet.
    Sie atmet tief, will Pein tauschen gegen Lust.

    Ein Fluss läuft an, klar und gefährlich.
    Trieb erwacht, süß und falsch.

    Ein Schrei zerreißt die Luft.
    Flamme tanzt. Glut bleibt.
    Ein Beben macht sie frei.

    ––

    Ich gehe vor. Sie sieht.
    Ein Quell tritt aus, wird Wort, wird echt.

    Zwei Ströme, eine Zeit, ein Fluss.
    Ihr Schritt zeigt, was bleibt.

    Der Grund ist weich, fast geweiht.
    Wandel schützt. Schmerz wird klein.

    Licht bleibt im Kern, ein Ort, der hält.
    Sie kennt ihn. Er lässt nicht los.

    –––

    Ein Keim bricht durch. Schatten verglühen.
    Das Neue brennt. Asche fliegt.

    Das Herz frei, beschämt und hell.
    Alles, was sie trug, hat jetzt Gewicht.

    Die Knospe reißt auf. Rose lebt.
    Sie trägt etwas Neues, aus Licht und Dreck.

    Ihr Körper flimmert, ein Stern im Dunst.



    Und über allem hängt der Flutmond.
    Er hält.

    ––

    Die Nacht zersplittert.
    Sie bleibt – nicht nur stehen – sondern getragen.

    –––

    Ein Leuchten, das bleibt.
    ~

    Ein Halt, der nicht weicht.
    ~~

    Und sie weiß: jetzt ist sie ganz.

    ––––

    Frederik Rentrop
    2015
  • Sledgeback – Insane – Musikvideo

    Sledgeback – „Insane“ Official Music Video – A BlankTV Feature

    Artist city, country: Seattle, Washington, U.S.A.

    Director Name: Gabor Szakacsi, Derik Rentrop

  • Carrowbeg – A Devotion – Musik Single

    Subtile Harmonien kreisen umeinander wie Gedanken, die sich nicht lösen wollen. Jeder Wechsel trägt eine Mischung aus Nähe und Distanz, als ob etwas Kostbares bewahrt und zugleich preisgegeben wird.

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  • Frisco Wow Boys – Vacation Invasion

    [Intro]
    Pretzel in my pocket – stout in her purse.
    We crash Rome’s gates – make their saints curse.
    Check in at noon – already half-naked.
    Sunburnt wallet – dignity half-baked.

    [Verse 1]
    Daytime haze – I’m loose and I’m loud.
    Licking the statues – making grandma proud.
    Name at the desk – and my mind on heat.
    Mini-bar’s gone – I’m five gins deep.

    She kicks off her heels – like a fevered queen.
    Massage oil bubbling – in the coffee machine.
    Tell the barman – I invented Negroni.
    Write my memoir – on steamed macaroni.

    Reenact the saints – with whipped cream and spite.
    Rate the fresco – a soft-core delight.
    Ask if desire – counts as legal tender.
    Tap my card – like a first-class offender.

    Escort us out – like a blessing gone rogue.
    I curse in Latin – she laughs in a wicked brogue.
    We stumble outside – declare it divine.
    Hotel lobby canonized – in spilled wine, our holy design.

    [Bridge 1]
    I came – I saw – I offend the priest.
    Take a leak in the fountain – call it an art piece.
    Hijack the sermon – with beats and some fun.
    Say “Namaste!” – while loading her squirt gun.

    [Refrain 1]
    Vacation Invasion!
    Crash your peace – like a drunk migration.
    I wear the bedsheet – like a royal cape.
    Proclaim the jacuzzi – my holy escape.

    I stage my own festival – outside the door.
    Drop towels like merch – give the guests a free tour.
    Thong on wrong – liver glowing silver.
    We bless their spa – with tequila and shiver.

    Vacation Invasion!
    Unleash the chaos – a loud celebration.
    Declare the sauna – an independent state.
    Raise up the heat – no debate.

    She plays the whistle – I play the skin.
    Her body’s the strings – my beat plays within.
    We turn the hotel – into one wild disgrace.
    Sing Schlager at three – with my butt in their face.

    [Verse 2]
    Climb a monument – in socks and sandals.
    Yell “O’zapft is!” – while chugging three handles.
    Scream “Rammstein night!” – through cathedral air.
    Twerk on the altar – like I just dont’ care.

    Pass out face-first – in a crème brûlée.
    Flirt with reception – “You sure I can’t stay?”
    Order confession – in a takeaway glass.
    Leave with redemption – first-class pass.

    Promise I’ll calm it – then double the mess.
    More shots on the tab – call it sacred excess.
    Wear flippers upstairs – to the rooftop bar.
    Taxi ride only – to steal the guitar.

    Turn the pool – into a soup of sin.
    Play flaming limbo – with the gondolas in.
    Raise a toast to the priest – with a drunken bless.
    TripAdvisor review – five stars for the mess!

    [Bridge 2]
    We are the reason – guidebooks come with warnings.
    And why locals – pray for off-seasons and mornings.
    Turn a yoga class – into a pillow fight.
    Do downward dog – under strobe-light night.

    She spins like a reel – I stomp in the fest.
    Her Celtic fire – meets my Deutsch protest.
    Leave behind shame – at every fancy dinner.
    Yet somehow – we’re always the winner.

    [Refrain 2]
    Vacation Invasion!
    The sunscreen apocalypse – Italian damnation.
    Book one night – cause three scandals.
    Tourist by passport – chaos by sandals.

    Vacation Invasion!
    Leave a note – in the hotel Bible.
    “Be right back – hell’s got better Wi-Fi than here.”
    Tip the lobby ghost – see you next year.

    Book heaven on standby – waiting at the gate.
    St. Peter winks – says “Come back late, BS it’s fate.”
    Put DO NOT DISTURB – on existential gloom.
    Check out my shadow – and upgrade its room.

    Tell paradise – “Call me, make it crystal clear.”
    ’Til then I toast mischief – with minibar beer.
    Blow one last Schlager – to the chandelier.
    Sign off – your favorite menace, sincerely, dear.

    [Outro]
    Pack the chaos – zip it tight.
    Suitcase screams – when it tries to fight.
    With her still grinning – we slip off the street.
    Leave a mango – and a poem – for the housekeeping fleet.

    Derik Rentrop
    2014
  • Playlist für Zahlen

    [1]
    Bleibt,
    erster Track im Set,
    spürbar,
    schwer.
    Läuft sowieso.
    (Opening-Nummer, na klar. Die Hoffnung, dass der Rest auch so gut wird wie die erste Kippe nach drei Wochen Pause.)



    <<<3<<<
    Schon geteilt,
    schon Stimmen,
    wie Vocals im Echo.
    Ineinander geschoben,
    nicht mehr zu trennen.
    (Drei ist schon Crowd. Ab hier muss man anfangen, die Leute zu mögen, sonst geht’s nicht.)



    ||11||
    Eine Reihe,
    zwei Stellen,
    zu viel für die Hand.
    Zwei Ziffern,
    out of Sync.
    (Zwei Einsen nebeneinander. Sieht aus wie Stäbchen. Nur dass ich nie mit Stäbchen essen konnte. Zu viel Konzentration, zu wenig Reis.)



    ### 27 ###
    Ein Haufen,
    ein Schwarm.
    Samples im Loop,
    zu dicht,
    kein klarer Drop.
    (Irgendwo in der Mitte des Abends. So viele Gesichter, so viele Drinks. Ich kann mich nur an die Barhocker erinnern, die zu hoch waren für meine Nacht.)



    100 BPM
    im Kopf,
    wie Herz im Maschinenraum.
    Ein Puls,
    der trägt.
    (Hundert Beats in der Minute. Also: tanzbar, aber nicht zu sehr. So wie ein Gespräch, das nie ins Peinliche kippt, aber auch nie wirklich gut wird.)



    [CAT:0204]
    Ein Register,
    eine Catalog-ID,
    wie im Label-Archiv.
    Ein Beat,
    ohne Bass.
    (Katalognummern sind für Leute, die alles ordentlich abheften. Ich habe nicht mal eine Schublade, die nicht klemmt.)



    9 0 5 7
    So groß wie Nebel,
    so ungenau wie Staub.
    Eine Streamingzahl,
    die niemand,
    mehr fühlt.
    (Zahlen, die niemand mehr versteht. Streams, Klicks, Follower. Jemand schreibt mir: ‚Krass, 9.000!‘ – Ich schreibe: ‚Ja.‘ Und lösche die App.)



    Und doch.
    Eins bleibt,
    im Kern,
    ungeteilt.
    Der Grundton,
    der trägt.
    (Am Ende ist es immer der gleiche Ton. Lauter. Leiser. Ducking. Ich rede mir ein, das reicht.)



    Frederik Rentrop
    2 0 1 4